Feuer kannst Du löschen, gegen die Gewalt des Wassers bist Du machtlos.
So ein Bekannter am 5. August 2002. Gemeinsam mit anderen saßen wir im Planker Strandbad und beobachteten den Kamp: es regnete zwar noch nicht, doch das Wasser stieg und stieg, die Zuflüsse aus dem Oberen Waldviertel (Taffa u.a.) waren zu gewaltig – in Ottenstein musste mehr Wasser aus dem Stausee abgelassen werden als sonst üblich um eine Überflutung zu vermeiden. Das wussten wir, aber welche Ausmaße die Unwetter und damit die Folgen für das Kamptal, die Donauufer und andere noch annehmen werden, das war noch nicht absehbar.
Tags zuvor hatte an einem warmen Sommerabend im Bad das jährliche Strandfest stattgefunden – es war ein fröhliches Fest zu dem wie meist viele Gäste aus der Umgebung und Wien gekommen waren. Wie immer am Tag danach sollte das gemeinsame Aufräumen stattfinden. Das war rasch erledigt, doch dann begann es zu regnen und immer stärker zu regnen. So war bereits klar – es muss mehr als sonst weggeräumt, Vorkehrungen für Hohes Wasser getroffen werden.
Dass jedoch selbst einige große, kräftige Bäume von den Wassermassen – die in der folgenden Nacht den Kamp zu einem reißenden Gewässer werden lassen sollten – entwurzelt werden könnten und erst hunderte Meter stromabwärts hängenbleiben werden, das konnten wir uns genauso wenig vorstellen wie vieles andere das dann geschah.
Mein Mann und ich mussten an diesem Dienstag, den 6. August, für 2 Tage beruflich nach Wien fahren. Es war schon dunkel, aber das Rauschen begleitete uns, es war so anders geworden, beinahe drohend wie das eines Wildbachs bei Schneeschmelze. Wie oft machten wir auch diesmal halt bei unseren Freunden Christa & Jonny Diewald in Altenhof am Kamp. Sie hatten gerade ihren beliebten Heurigen geöffnet – doch anders als sonst waren kaum Gäste da. Anders als sonst war der Grund unseres Besuchs – wir wollten wissen, ob bei ihnen alles in Ordnung ist. Anders als sonst auch unsere Unterhaltung: „wie schaut´s in Plank aus? Wie hoch ist der Kamp bei Euch?“ Jonny, der wie viele Andere an diesem Abend immer wieder zum Kamp ging um den Wasserstand zu prüfen, meinte zu uns: „Fahrt´s los, sonst kommt Ihr vielleicht nicht mehr durch. Das Wasser steigt immer höher.“
Wie recht er hatte, wir schafften es noch – aber in dieser Nacht kam das Hochwasser. Es war bereits ein Jahrhundert-Hochwasser. Doch nicht das letzte dieses Sommers.
In dieser Nacht vom 6. auf den 7. August wurde in Plank die örtliche Wasserleitung beschädigt, die Brücke unbefahrbar – ein Baum hatte sich an einem Pfeiler verfangen, die Häuser am linken Flussufer standen bis zu den Fenstern unter Wasser, die Menschen – unsere Freunde und Bekannte konnten sich zwar retten, aber ihre Habseligkeit schwammen im Wasser und/oder waren ruiniert. Das Wasser „kam von oben und von unten“ – einmal stürzte es über Stiegen in Keller, einmal sprengte es Böden. Der Schrecken, das Entsetzen über das Geschehene, die Wut über die Hilflosigkeit gegenüber der Macht des Wassers wurde noch verstärkt durch die Nachrichten die über Funk von anderen Feuerwehren bekannt wurden. In Rosenburg wurde eine Schafherde von den Wassermassen mitgerissen – die Tiere starben elendiglich in den Fluten. Boote, große Topfpflanzen und vieles mehr trieb bis, aber auch durch Plank. In Schönberg, Zöbing u.a. Orten waren Manche in ihren Häusern von den Wassermassen eingeschlossen, mussten mit Hubschraubern gerettet werden.
Das Wasser des Kamp war kontaminiert – auch durch mitgerissene, leck gewordene Öltanks. Damit waren auch die Ufergrundstücke, die Gärten bedroht. Wie sich nach dem Rückgang des Wassers herausstellte: unbenutzbar. Eine Katastrophe für eine Gärtnerin in Plank, die 1 Jahr zuvor mit dem Verkauf ihrer Bioware begonnen hatte. Sie musste aufgeben.
Doch nicht alle im Ort waren unmittelbar betroffen – die am rechten Ufer und in den höher gelegenen Ortteilen wie Oberplank und Fernitz – und sie halfen.
Als wir nach den zwei Tagen in Wien wiederkamen herrschte eine seltsame Stimmung – eine eigenartige Ruhe. Wir fragten nicht wie es geht, denn das sahen wir – wir fragten „was können wir tun?“ Und es gab eine Menge zu tun. Erst einmal waschen, Wäsche waschen – was bedeutete: erst den schweren Schlamm abspülen bzw. mit dem Schlauch abspritzen dann die Wäschestücke mindestens zweimal waschen mit viel duftendem Weichspüler – gegen den dumpf-modrigen Schlammgeruch. Schließlich bügeln, bringen und den nächsten vollen Wäschekorb holen…
Die Wäsche trocknete rasch – es regnete nicht, die Sonne schien, doch zu wenig intensiv um all das feuchte Mauerwerk zu trocknen. Apropos Mauern – für Viele mussten vorübergehend Notquartiere gefunden werden. Keine leichte Sache. Hier gab es eine Grenze für die guten Herzen von Plank. Es klappte dennoch.
Im Feuerwehrhaus war bereits das Hilfs- und Logistik-Zentrum eingerichtet worden. Es sollte in den nächsten Wochen der Treffpunkt für Betroffene und Helfer/innen werden. Die Feuerwehrautos standen am Vorplatz, sodass in der Halle Platz für Alle war. Im Feuerwehrhaus selbst wurde gekocht, verpflegt – viele hatten ja keinen Herd, keine Lebensmittel, keine Getränke mehr. Das Leitungswasser durfte nur abgekocht verwendet werden, getrunken werden sollte es möglichst nicht, auf keinen Fall von Kindern und Älteren. Unterstützung kam von Betrieben in Gars am Kamp – selbst betroffen unterstützten die Apotheke, die Bäckerei Ehrenberger, die Firma A&O auch uns mit kontingentierter Gratisware – bezahlt aus dem Katastrophenfonds des Landes. Ludmilla und ich erhielten von unserem Ortsvorstand dem Kunstschmied &Schlosser Ferdinand Hohenecker für diese Transporte einen KleinLKW zur Verfügung gestellt. Die Planker Feuerwehrleute wurden, wie alle ihre ehrenamtlich tätigen Kolleg/innen in Niederösterreich, von ihren Betrieben freigestellt. Sie waren in Schichten rund um die Uhr im Einsatz. Von der ständigen Abklärung mit den Kollegen in den Orten stromaufwärts: „wie ist der Wasserstand der Flüsse, wie voll ist der Ottensteiner Stausee? Muss wieder abgelassen werden?“ über Lagebesprechungen mit den Kamptaler Kollegen bis zum Schlammschaufeln. Das war zu der Zeit am Mühsamsten: Nass – sehr schwer, doch besser als trocken: er wurde hart, sehr hart.
Dann kam die zweite „Welle“, das zweite Hochwasser – es war noch stärker.
In der Nacht vom 11. Auf den 12. August waren wir zwar vorgewarnt „es kommt wieder was“, es wurde auch alles versucht: so wurden u.a. die ganze Nacht Sandsäcke gefüllt und aufgetürmt. Es half nichts – es war schlimmer als beim ersten Mal. Wir haben es bewältigt – mit Hilfe vieler freiwilligen Helfer auch aus anderen Bundesländern, dem Bundesheer – das auch Essen in riesen Töpfen brachte (Linsensuppe: gut für die Nerven).
Das Planker Bad ist wieder wunderschön geworden, die Häuser großteils wieder trocken, die kontaminierte Erde abgetragen, das Ufer wurde seitens des Landes mit schönen großen Steinen befestigt – auch für Private.
Was geblieben ist?
Die Erinnerung an ein wunderbares Zusammenhalten, einander unterstützen, an unsere Feuerwehrleute die rund um die Uhr da waren – selbst betroffen und doch klar, ruhig und professionell auch beim kollegialen Vernetzen, wodurch viel Schreckliches verhindert werden konnte. Chapeau!
Das Wissen, dass immer ausreichend Trinkwasser (auch stilles Mineralwasser – für Klein-Kinder), Teebeutel, Cafe, Medikamente, Verbandszeug und Schaufeln vorrätig sein sollten.
Die Achtung vor den Naturgewalten wie Wasser und in den letzten Jahren vermehrt: dem Sturm. Schließlich immer noch wachsame Angst: bei starken Regenfällen im Oberen Waldviertel, wenn das Wasser mehr als üblich steigt, wenn das Rauschen wieder „anders“ wird und/oder die Sirene in der Nacht, den frühen Morgenstunden losgeht – dann passiert es mir immer noch, dass ich aufspringe zum Fenster laufe und nachschaue, nachhöre: ist es „nur“ ein Unfall oder …?
Erinnerungen an Plank im August 2002
Vera Albert, Plank im August 2014